Von Beckenbauer bis Marco Sturm: Bundestrainer – Nur der Name zählt!
von knospepeter
Gemeinhin gilt der Posten eines Bundestrainers als Traumjob. Gut, je nach Sportart ist das ein bisschen verschieden. Besonders im Blickpunkt steht natürlich der Bundestrainer im Fußball und gerade dort wird der Traumjob schnell zur Belastung, weil eigentlich jeder Fußball-Fan ein potentieller Bundestrainer ist. Allerdings wird der Bundestrainer-Job auch als halbe Urlaubsbeschäftigung gesehen: Ein bisschen auf den Tribünen sitzen, die interessantesten Spiele angucken und ab und zu ein Lehrgang. So sieht es der gemeine Fan. Warum aber haben viele Verbände ein Problem, den richtigen Bundestrainer zu finden?
Aktuell war zuletzt der Deutsche Eishockey-Bund auf Trainersuche. Mit Pat Cortina war der neue DEB-Präsident Franz Reindl nicht zufrieden, es gab mehr Misserfolge als Erfolge. Reindls alter Freund Uwe Krupp sollte Nachfolger werden, doch da baute sich ein unüberwindbares Hindernis auf: Krupp ist Trainer bei den Eisbären Berlin, der ehemalige Stanley-Cup-Sieger, schon einmal als Bundestrainer erfolgreich, kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen.
Das ist das Problem, einen guten Mann für den Traumjob zu finden: Die besten Leute stehen meist unter Vertrag, sind kurzfristig nicht zu bekommen. Viele arbeiten lieber im Verein („Ich brauche die tägliche Arbeit mit den Spielern“), als nur von Zeit zu Zeit in den Mittelpunkt zu rücken und eigentlich nur beschränkt eine Mannschaft entwickeln zu können. So stieß auch der DEB an Grenzen und zauberte dann einen Neuling aus dem Hut: Der frühere NHL-Star Marco Sturm wird der neue Krupp. Er kann Erfolge als Spieler vorweisen, hat einen guten Namen und soll sogar in der Doppel-Funktion als Bundestrainer und Generalmanager das Eishockey in der Öffentlichkeit gut verkaufen. Sturm ist Neuling, hat zwar die Trainerscheine gemacht, aber ihm fehlt die Erfahrung am Rande der Bande. Doch das rückt in den Hintergrund. Für den Job als Bundestrainer zählt vor allem der Name! Der Verband hofft auf eins: Dass die Spieler bei einem Bundestrainer Marco Sturm wieder gern zur Nationalmannschaft kommen, zuletzt hatte es eher Absagen gehagelt, warum auch immer.
Früher war es undenkbar, dass ein Neuling quasi die wichtigste Mannschaft eines Verbandes coachen könnte. Noch heute gilt, dass die Nationalmannschaft das Aushängeschild einer Sportart ist. Entsprechend ist der Bundestrainer aber auch das Gesicht der Mannschaft, im Fall Sturm wird der Trainer vor allem das bekannteste Gesicht der Mannschaft sein (Wer kennt die aktuellen Eishockey-Cracks?). Das allein ist Qualifikation genug!
Der Teamchef war die Lösung
Vorbild für diese Art der Trainerfindung war Fußball-„Kaiser“ Franz Beckenbauer. Es war eine Revolution, als Beckenbauer 1984 bei der Nationalmannschaft den unglücklichen Jupp Derwall ablöste. Die erforderliche Trainerlizenz hatte Beckenbauer nicht, deshalb machte ihn der Deutsche Fußball-Bund kurzerhand zum „Teamchef“. Ihm zur Seite standen zunächst Horst Köppel und dann Holger Osieck, beide mit entsprechender Lizenz. Zumindest wurden damit die Regeln eingehalten. Beckenbauer war ein echter Teamchef, nicht der Trainer. Mit Osieck bildete ein kongeniales Gespann, da der versierte Trainer auf dem Feld, dort der Motivator, der Verkäufer, die Lichtgestalt, zu der die Spieler aufschauten und dem sie alles glaubten. Legendär seine Aufforderung, „geht’s raus und gewinnt“ – gesagt, getan. Die Krönung war bekanntlich der WM-Titel 1990, danach verabschiedete sich Beckenbauer wieder. Aber er hatte eine neue Art von Bundestrainer geschaffen. Nicht der Schein zählt, sondern der Name.
Ähnliches wiederholt der DFB bei den Frauen, denn der Verband hat Steffi Jones als Neuling zur Nachfolgerin von Silvia Neid bestimmt, die 2016 nach den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro die Leitung der Frauen-Nationalmannschaft abgibt. Der Verband bekam Kritik vor allem von den gestandenen Trainern der Spitzenvereine, die um die Fortsetzung der guten Arbeit von Silvia Neid fürchten (auch wenn es nach der letzten WM Kritik an ihr gab!). In der Tat, ist es auch hier seltsam, dass ein Neuling sich ausgerechnet beim Aushängeschild des Verbandes versuchen darf. Immerhin kann Steffi Jones etwas vorweisen: Sie hat sich als Funktionärin beim DFB bewährt, war das „Gesicht“ der WM 2011 in Deutschland und hat eine gewinnende Art, gilt also als guter Verkäufer in der Öffentlichkeit. Den entsprechenden Trainerschein hat sie übrigens, Erfahrung aber nicht. Es gilt also auch hier: Bundestrainer – der Name zählt!