Die heile Welt des Biathlon in Deutschland
von knospepeter
In den nächsten Tagen gastiert der Biathlon-Zirkus in Deutschland. Vom 10. bis 13. Januar beherbergt Oberhof in Thüringen die Weltelite, die dann nach Bayern weiterzieht, um vom 16. bis 20. Januar in Ruhpolding zu laufen und zu schießen. Deutschland ist ein beliebter Gastgeber bei der Biathlon-Familie und es könnte sein, in diesem Jahr noch ein bisschen mehr, denn entgegen vielen anderen Nationen gibt es in Deutschland noch die heile Welt des Biathlon. Hier warten keine Gerichte auf Dopingsünder, hier feiert das Publikum die Athleten und vor den Bildschirmen versammeln sich die Wintersportfans, Biathlon ist hierzulande der Wintersport Nummer 1.
Man sollte vorsichtig sagen, noch ist Biathlon Wintersport Nummer 1 in Deutschland. Wenn allerdings die Erfolge ausbleiben, kann sich das schnell ändern. Vor dieser Saison gab es eine Art Tabula rasa im Verband, das Trainerteam wurde neu zusammengestellt. Der bisherige Herren-Coach Mark Kirchner wurde zum Übertrainer für beide Mannschaften, bleibt aber auch Disziplin-Chef mit jetzt Isidor Scheurl an seiner Seite. Damen-Chef Gerald Hönig wurde degradiert und amtiert nun als Schießtrainer. Sein Nachfolger ist Kristian Mehringer, Assistent Florian Steirer. Bisher ein Wechsel ohne großen Erfolg, bei drei Weltcup-Wettbewerben in Pokljuka, Hochfilzen und Nove Mesto gab es noch keinen deutschen Sieg. Ein paar Achtungserfolge der Männer waren alles, die Frauen liefen hinterher, bis Laura Dahlmeier kam und in Nove Mesto aufs Treppchen lief. Jetzt pausiert sie wieder.
Die Damen konnten sich in den letzten Jahren immer hinter einer überragenden Athletin ein bisschen verstecken, das war zu den Zeiten von Magdalena Neuner so und zuletzt eben hinter Laura Dahlmeier. Die Olympiasiegerin hat aber des Öfteren gesundheitliche Probleme und kämpfte auch im Vorfeld der Saison mit einem Virus. Nove Mesto machte Hoffnung, doch eine Grippe war dann ein unpassendes Weihnachtsgeschenk. Jetzt will die Garmischerin vor ihrer Haustür in Ruhpolding wieder eingreifen. Die Damen Franziska Preuß, Franziska Hildebrandt. Denise Herrmann und Vanessa Hinz haben ein gewisses Potential, aber zur absoluten Spitze reicht es nicht. Dazu ließen wohl auch atmosphärische Störungen im Team keine großen Leistungen zu, denn die Harmonie zu fördern war eine der ersten Aufgaben des neuen Trainerteams.
Die Herren haben dagegen eine starke, ausgeglichene Mannschaft, die immer für Podestplätze gut ist, allerdings gegen „Über-Biathleten“ wie den Norweger Johannes Boe und den französischen Seriensieger Martin Fourcade ankämpfen muss. Außerdem trübt der Blick in die Zukunft die Hoffnung, denn die vier Musketiere Arnd Peiffer, Simon Schempp, Benedikt Doll und Erich Lesser sind bald alle über 30 Jahre alt. Adäquater Nachwuchs ist nicht in Sicht. Ein Blick auf die Gesamtwertungen zeigt, was Sache ist, Doll ist bei den Herren ebenso als Bester Zehnter wie Preuß bei den Damen. In der Nationenwertung ist Deutschland bei den Herren immerhin Dritter, die Damen nur Fünfte. Norwegen bzw. Italien geben da den Ton an. In den letzten Jahren war Deutschland immer ganz vorn dabei.
Die goldenen Zeiten des Biathlonsport in Deutschland könnten dem Ende entgegen gehen, was sich natürlich auch auf die TV-Einschaltquoten (derzeit oft rund vier Millionen Zuschauer) auswirken würde. Schwere Zeiten hat der internationale Verband schon zu bewältigen, denn Biathlon ist durch Korruption und Doping in die Schlagzeilen geraten. So spielten wohl der langjährige Verbandspräsident Anders Besseberg aus Norwegen und die deutsche Generalsekretärin Nicole Resch offensichtlich ein böses Spiel zu ihren Gunsten. Vor allem Russland soll profitiert haben, so wurden wohl u. a. auch die Dopingjäger ausgebremst. Deutlich wird die Funktionärskrise auch dadurch, dass die Staatsanwaltschaft in Wien seit 2017 gegen IBU-Funktionäre wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt. Da kann von einer heilen Welt keine Rede sein. Der neue Präsident, der Schwede Olle Dahlin, Manager in der Papierindustrie, steht vor schweren Aufräumarbeiten.
In Oberhof und Ruhpolding wollen Athleten und Funktionäre diese dunklen Schatten vergessen. Vor allem Oberhof will sich als guter Gastgeber präsentieren und Werbung für die Weltmeisterschaft 2023 machen. Bis dahin soll die Arena mit Investitionen von rund 15 Millionen Euro noch attraktiver werden, die Weltmeisterschaft aber dennoch ein Gewinn für die Region werden, denn mit rund 50 – 60 Millionen Umsatz wird dann gerechnet. Wenn bis dahin auch die sportliche Bilanz der deutschen Mannschaft immer noch stimmt.