Saison-Ende: Von Abschied und Hoffnung

von knospepeter

Es gab Freude, Tränen, Rekorde, Krawalle, Ausschreitungen, Abschiede, Pokale, Schalen und natürlich auch Hoffnung – zum Saison-Ende im Profi-Fußball war alles dabei. Die letzten Entscheidungen fielen manchmal in den letzten Minuten, Hoffnungen zerstoben, gefühlte Wunder wurden Wahrheit. Bevor Fußball gespielt wurde, gab es aber erst einmal Verabschiedungen, beginnen wir also auch hier damit.

Besonders viele Bilder und Blumensträuße wurden in München benötigt. Bei Meister Bayern war es mit dem Ende einer Ära nicht getan. Von den Meisterspielern gehen David Alaba (wohl zu Real Madrid) nach 13 Jahren, Jerome Boateng (10, Ziel unbekannt) und Javi Martinez (9, wohl Spanien). Besonders Martinez prägte eine besondere Ära. Er kam als damals teuerster Spieler aller Zeiten für 40 Millionen Euro, weil ihn Trainer Jupp Heynckes unbedingt wollte. Warum, dies bewies der Spanier: Mit ihm wurde Bayern immer Meister (!), er war entscheidend an den Siegen in der Champions League 2013 und 2020 beteiligt. Ein adäquater Ersatz ist im Gespräch: Hollands Mittelfeldstar Georginio Wijnaldum, der den FC Liverpool ablösefrei verlässt. Zweimal FCB sind im Gespräch: FC Barcelona und FC Bayern.

Eine Ära prägte Trainer Hansi Flick nicht, aber er sorgte für die vielleicht erfolgreichsten Zeit des Vereins mit sieben Titeln in 18 Monaten! Er wird wohl Bundestrainer. Hermann Gerland allerdings war bereits in Institution und es ist ein bisschen unverständlich, dass der altgediente Trainer-Recke nach 25 Jahren gehen muss. Der 66jährige will vom Fußball nicht lassen, warum nicht weiter bei den Bayern? Anders sieht es bei Miroslav Klose aus, der wohl nicht Assistent unter Julian Nagelsmann werden wollte und vielleicht sogar eine Cheftrainer-Rolle sucht, Fortuna Düsseldorf ist im Gespräch. Bei den Bayern ist die Zukunft aber ungewiss, 107 Titel verlassen den Verein. Lesen Sie deshalb auch den Blog vom 12. Mai: „Bayern München vor ungewisser Zukunft oder für immer Meister?“.

Große Abschiedsveranstaltung auch in Dortmund, wo Bayer Leverkusen gastierte und Manuel Gräfe als Schiedsrichter fungierte. Es war sein Abschiedsspiel (auch die Kollegen Markus Schmidt und Guido Winkmann hören auf), aber besonders auch für Dortmunds Abwehr-Institution Lukasz Piszczek, der elf Jahre bei der Borussia spielte, aber auch für die Zwillinge Sven und Lars Bender bei Bayer. Sven durfte das Team als Kapitän aufs Feld führen, Lars nach seiner Einwechslung zum Abschluss der großen, aber bei beiden von vielen Verletzungen geprägten Karriere, einen Elfmeter verwandeln, den Torhüter Bürki großzügig passieren ließ. Auf eine noch größere Karriere als die Bender-Zwillinge blickt Sami Khedira zurück, der das kurze Gastspiel bei Hertha beendete, aber auch hier Eindruck hinterließ. Als größte Momente seiner Laufbahn bezeichnet er den Weltmeistertitel 2014 (in dem Jahr gewann er mit Real Madrid auch die Champions League) und die Meisterschaft 2007 mit dem VfB Stuttgart. Erfolgreich war er auch bei Juventus Turin. Ungewohnt ist auch, dass Borussia Mönchengladbach in Zukunft ohne den Schweden Oscar Wendt antreten wird. Er gehörte einfach zu den „Fohlen“. In der Aufzählung natürlich nicht alle Abschiede zum Saison-Ende, aber wohl die populärsten.

Der Sport selbst war ebenfalls geprägt von Abschied und Hoffnung. So muss sich die Bundesliga von zwei weiteren prominenten Vertretern verabschieden, Schalke 04 und Werder Bremen. Bei beiden Klubs gibt es nur ein Urteil: Der Abstieg ist hausgemacht mit vielen Fehlern im Management und in der Kader-Zusammenstellung. Schalke (seit 1996 erstklassig) geht als Rekord-Absteiger, war 110. Mal Tabellenletzter, so viel wie keine andere Mannschaft (bisher Hannover 105). Nur 16 Punkte ist Minusrekord seit Einführung der Dreipunkteregel. Werder geht nach 40 Spielzeiten in Folge und insgesamt 1934 Bundesligaspielen, ein Rekord, den in der kommenden Saison Bayern München (bisher 1908) brechen wird.

Dass die Bayern Rekorde brechen, ist man gewohnt. Im Mittelpunkt stand dabei natürlich Torjäger Robert Lewandowski, der in letzter Minute doch noch den Jahrhundert-Rekord von Bomber Gerd Müller übertraf und sein 41. Saisontor erzielte. Landsmann Rafal Gikiewicz im Kasten des FC Augsburg machte ihm das Leben beim 5:2 schwer, dann aber nutzte der Pole in letzter Minute einen Abpraller. 41 Saisontore – das muss jetzt wirklich ein Rekord für die Ewigkeit sein. Dahinter taucht Gerd Müller gleich dreimal in der Bestenliste auf, danach rangiert wieder Lewandowski mit seinen 34 Toren von der Vorsaison, diese erreichte einst auch Dieter Müller 1976/77 mit dem 1. FC Köln. Lewandowski holte sich viermal in Folge und zum sechsten Mal insgesamt die Torjäger-Kanone, jetzt peilt er den nächsten Rekord von Gerd Müller an, der gewann nämlich sieben Mal.

2. Bundesliga attraktiv wie nie

Zurück zu den Vereinen. Spannend war es am letzten Spieltag der 2. Bundesliga, wer Bremen und Schalke ersetzen kann. Bochum, Kiel und Fürth lieferten sich einen heißen Dreikampf mit einigen Kapriolen, am Ende war Holstein Kiel der dumme Dritte, die Franken von Greuther Fürth trotzten gegen Fortuna Düsseldorf Unterzahl und Rückstand und drehten den Spieß um, während sich Kiel von Darmstadt düpieren ließ. Die Aufsteiger haben eines gemeinsam, es war eine echte Mannschaftsleistung mit Nobodies als Trainer. Bochum galt in der Bundesliga einst als Unabsteigbar, zuletzt in elf Jahren zweite Liga allerdings als Unaufsteigbar. Trainer Thomas Reis übernahm im September 2019 ein verunsichertes Team und führte es nach oben. Mit Bochum hatte keiner gerechnet, mit Fürth auch nicht. Der Architekt des Erfolgs ist in erster Linie Sport-Geschäftsführer Rachid Azzouzi, der vor allem Trainer Stefan Leitl holte. In Fürth wird besonders gefeiert, der Aufstieg gilt „als Wunder“ und Nachbar 1. FC Nürnberg bleibt zweitklassig.

Die eigentlichen Favoriten schauten am Ende dumm aus der Wäsche, vor allem der einstige Bundesliga-Dino Hamburger SV, der auf dem Weg ist, ein Zweitliga-Dino zu werden. Der Wiederaufstieg wird immer schwerer angesichts der Konkurrenz. Andererseits wird die 2. Bundesliga immer attraktiver, die Traditionsklubs, die aus dem Oberhaus gedrängt werden, bilden jetzt eine (vom Namen her) Eliteliga im Unterhaus. Da sind neben dem HSV und Club zumindest für ein Jahr Schalke und Bremen, einen guten Namen haben auch Karlsruhe, Hannover und Düsseldorf, dazu gesellen sich als attraktive Neulinge die Ost-Klubs Dynamo Dresden und Hansa Rostock als Aufsteiger aus der 3. Liga. Sollte Holstein Kiel in der Relegation gegen den 1. FC Köln gewinnen, käme noch ein prominenter Name hinzu. Die Relegation bildet traditionell die Verlängerung der Saison, da duellieren sich eben Köln und Kiel um einen Platz im Oberhaus, Osnabrück und Ingolstadt um einen Platz im Unterhaus.

Schon heute also viel Hoffnung für die neue Saison, aber auch Hoffnung auf normalen Fußball mit Fans auf den Tribünen. Ein besonderer Abschied wäre der Abschied von der Corona-Pandemie.

Noch gibt es aber aktuellen Fußball. Bevor sich das Augenmerk auf die Europameisterschaft richtet, stehen auf Europas Bühne die Höhepunkte an, mit den Finals in Europa League und Champions League. Am Mittwoch treffen in Danzig Manchester United und die Spanier vom FC Villarreal im EL-Endspiel aufeinander, am Samstag in Porto (wegen Corona von Istanbul verlegt) gibt es in der CL das englische Duell mit deutscher Beteiligung zwischen Manchester City und Chelsea London. Es könnte also ein Triumph der Premier League werden und Manchester zu Europas Fußballstadt Nummer 1. City wurde mit Pep Guardiola bereits englischer Meister, er vertraut u. a. auf Ilkay Gündogan. Thomas Tuchel als neuer Coach bei Chelsea schaffte mit Glück als Vierter der Premier League bereits den Sprung in die CL. Der Titel wäre natürlich die Krönung, aber den jagt Guardiola mit City seit fünf Jahren. Chelseas Problem war zuletzt die Chancenverwertung, da tat sich vor allem Nationalstürmer Timo Werner unrühmlich hervor, er könnte aber ebenso erstmals den Henkelpott wie sein Trainer und die Mitspieler Antonio Rüdiger und Kai Havertz.

Bundestrainer Joachim Löw muss auf diese EM-Kandidaten vorerst noch verzichten, wenn am Freitag das erste Trainingslager der EM-Vorbereitung in Seefeld in Tirol beginnt. Er überraschte bei seinem Aufgebot nur mit wenigen Namen, so hatte mit Stürmer Kevin Volland (Monaco) ebenso niemand gerechnet wie mit Christian Günter (Freiburg) als möglicher Linksverteidiger. Wie erwartet kehren Thomas Müller und Mats Hummels zurück. Erfahrung für die Jugend ist das Motto und so kann sich Löw freuen, dass es kaum Kritik an seinem Aufgebot gab, jetzt fehlt zu seinem Abschied nur noch der Erfolg. Er nominierte ein Team der Hoffnung. Abschied und Hoffnung also zum Saison-Ende.

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