Fußball in Europa: Favoritensterben in den Top-Ligen

von knospepeter

Nicht nur in der Bundesliga ging am vergangenen Wochenende die Fußball-Saison 2020/21 zu Ende, sondern mehr oder weniger in ganz Europa. Deshalb lohnt sich ein Blick über die Grenzen. Eins vorweg: Es ist fast ein Wunder, dass trotz der Corona-Pandemie der Profi-Fußball seine Punktrunden fast reibungslos über die Bühne gebracht hat. Für negative Schlagzeilen sorgte dann weniger Covid-19, sondern es waren eher Vereinsbosse mit kranken Ideen, befallen vom Virus Geld. Die Super League lässt grüßen.

Dabei war der Sport eigentlich interessant genug. In den Top-Ligen gab es das große Favoritensterben, der FC Bayern München war die Ausnahme, der einzige, der seinen Titel wieder souverän verteidigt hat. Auf der Meisterliste fehlen die üblichen Namen wie Real Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin oder Paris St. Germain, auch Jürgen Klopp konnte mit dem FC Liverpool seinen Titel nicht erfolgreich verteidigen.

Wobei der Gewinn der Meisterschaft in der Premier League für Pep Guardiola und Manchester City fast schon ein Wunder ist. Vor einigen Monaten war damit gar nicht zu rechnen, City lief der Musik hinterher, der Spanier verzweifelte fast, das Verletzungspech schlug zu und die Form der Mannschaft stimmte nicht. Doch Guardiola gelang es, das Ruder herumzureißen, City marschierte wieder und am Schluss sogar vorneweg. Jetzt fehlt ihm nur noch die Krönung im Finale der Champions League am Samstag, einem Titel, dem er in den fünf Jahren bei City hinterher läuft. Verletzungspech hatte auch Jürgen Klopp beim FC Liverpool, vor allem der Ausfall von Abwehr-Ass Virgil van Dijk tat weh, zumal zwischendurch alle gestandenen Innenverteidiger ins Lazarett wechselten. Neue Abwehrrecken wie Ozan Kabak von Schalke 04 mussten her, dass es am Ende noch Rang drei wurde, bezeichnete Klopp sogar als „Wunder“. Manchester United landete noch davor, Thomas Tuchel rettete sich mit Chelsea London auf Platz vier und zog wieder in die Champions League ein. Soll erfüllt. Dabei musste aber Tottenham mit einem Sieg in Leicester Schützenhilfe leisten. Der Lohn für die Hot Spurs ist die Conference League, Leicester tritt mit West Ham United in der Europa League an.

Einem ist das zu wenig, Tottenhams Torjäger und Idol Harry Kane will den Verein verlassen, er will Titel gewinnen. Dort wo Geld ist stehen ihm die Türen offen, bei City, United und Chelsea. Pep Guardiola vergoss sogar Tränen, weil sich sein Torjäger verabschiedet (nach Spanien). Sergio Aguero kam rechtzeitig aus einer Verletzungspause zurück, um mit seinen Treffern 183 und 184 für ein und denselben Verein beim 5:0 gegen Everton den alten Rekordhalter in der Premier League, Wayne Rooney (183 für Manchester United), abzulösen. „Wir können ihn nicht ersetzen“, stöhnte Pep. Wer kann schon Torjäger ersetzen? Deshalb stehen Harry Kane die Türen offen.

Auch Bayern München musste ja in der Champions League erfahren, dass es ohne Torjäger nicht geht. Robert Lewandowski fehlte gegen Paris St. Germain verletzt und die Bayern schieden aus. Eine erfolgreiche Saison wurde es für Paris aber nicht. Die Nachwehen des verlorenen CL-Finals im Herbst gegen die Bayern wirkten lange nach. Trainer Thomas Tuchel brachte seine Mannen nicht in Schwung und verlor in der nationalen Meisterschaft entscheidend an Boden. Der Deutsche musste gehen, der Argentinier Mauricio Pochettino, voher in Tottenham, sollte den Erfolg zurückbringen. Es gelang nicht, Paris, ununterbrochen Meister seit 2013, hatten gegenüber den Underdogs vom OSC Lille das Nachsehen. Die „Doggen“, wie Lille genannt wird, bissen mit dem Ex-Bayern Renato Sanches in ihrem Team zu und wurden sensationell Meister.

Ja, die Favoriten hatten es überall schwer. Ein böses Erwachen gab es auch für Juventus Turin, Dauermeister in Italien seit 2012, doch nach neun Titeln in Folge war Endstation. Peinlich vor allem für Ikone Andrea Pirlo, der einst vergötterte Spielmacher Italiens musste erkennen, dass ein Weltklassespieler nicht sofort ein Weltklassetrainer ist. Jetzt stellt sich die Frage, ob er bleiben darf. Ein Problem konnte er vor allem nicht lösen: Cristiano Ronaldo ließ zu oft den Star raushängen und sonderte sich zu sehr von der Mannschaft ab. Ein Team war Juve also nicht. Es wird gemunkelt, dass Ronaldo zu neuen Zielen aufbricht. Die Bayern schauen übrigens auch auf Turins Sturz, auch sie stehen ja jetzt bei neun Meisterschaften in Folge. Wird es Nummer 10 mit einem neuen Trainer? In Italien gab es aber das große Comeback der Mailänder Klubs, Inter vor dem AC an der Tabellenspitze, das erinnerte an alte Zeiten. Atalanta Bergamo darf als Dritter glücklich sein, Juve rettete sich gerade noch in die Champions League, weil Neapel gegen Hellas Verona nicht gewann.

Die großen Namen mussten auch in Spanien leiden. Der FC Barcelona und Real Madrid machten eher neben dem Spielfeld Schlagzeilen. Zum Beispiel (mit Juve) mit der Ausrufung der Super League. Das war ein Schuss in den Ofen, jetzt will die UEFA disziplinarisch gegen die Klubs vorgehen. In Barcelona ging es vor allem wegen Star Messi drunter und drüber, der Argentinier schmollte, wollte weg, blieb doch, der Erfolg aber fehlte. Rang drei ist nicht FCB-like und auch Real mit Zinedine Zidane wurde nur Vize-Meister, geschlagen vom ungeliebten Lokalrivalen Atletico, der erstmals seit 2014 wieder triumphierte. Auch für Trainer Diego Simeone war es fast ein „Wunder“, aber die Konkurrenz leistete Schützenhilfe. Von Real kam Mittelfeldspieler Marco Llorente, der dem Team Halt gab, von Barcelona der dort nicht mehr erwünschte Torjäger Luis Suarez, der im letzten Spiel zum entscheidenden 2:1-Sieg in Valladolid traf. Er wurde mit 21 Treffern Vierter der Torschützenliste hinter Messi (30), Benzema (23/Real) und Gerard (23/Villarreal).

Das sollte doch in allen Ligen kleineren Vereinen Mut machen, dass Geld allein den Erfolg nicht garantieren kann. Wer geschickt plant und arbeitet, zudem vielleicht noch ein bisschen Glück hat, kann den Großen schon ein Bein stellen. Davon lebt der Sport und nicht von einem Eigenleben in einer Blase wie der Super League, wo sich die Vereine vom „Fußvolk“ abschotten wollen.

Bestes Beispiel war am Mittwoch der FC Villarreal, der Underdog aus der Region Valencia, der noch nie in einem Finale stand und nur Siebter in Spanien wurde, gewann in einem zwar nicht hochklassigen, aber denkwürdigen Finale in Danzig gegen Manchester United die Europa League – und zwar nach einem 1:1 nach 120 Minuten mit einem 11:10 (!) im Elfmeterschießen. Alle trafen (!), den letzten, entscheidenden Schuss gab United-Keeper David de Gea ab, ein Spanier, dessen Schüsschen so aussah, als wollte er seinen Landsleuten sagen, „kommt, da habt ihr den Pott“. Kollege Rulli hielt ohne Probleme und damit zieht Sieger Villarreal sogar in die Champions League ein. Wundern muss dieses Ergebnis nicht, denn die Europa League ist so etwas wie eine spanische Liga, in den letzten zehn Jahren siegten siebenmal spanische Teams, Titelverteidiger war der FC Sevilla, der insgesamt sechsmal den Pokal holte. Da hatte es sich für Villarreal (wegen der gelben Trikots auch „Gelbes U-Boot genannt“) gelohnt, Trainer Unai Emery zu holen, der EL-Experte ist, denn mit dem FC Sevilla schaffte er von 2014 bis 2016 den Hattrick.

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