Eishockey erleidet eine Chaos-Saison

von knospepeter

Es ist ja nichts Neues, dass die Corona-Pandemie die Welt durcheinander bringt, das Leben jedes Einzelnen, aber besonders leidet der Sport. Und da scheint es so, dass Eishockey noch stärker als alle anderen Mannschaftssportarten betroffen ist, es herrscht schlichtweg Chaos in allen Bereichen. Jetzt wurde zudem eine Hoffnung für positive Schlagzeilen nicht erfüllt: Ganz im Gegenteil, nachdem die Nationalmannschaft bei Olympia nicht die erträumte Medaille gewonnen hat, sondern sogar nicht einmal den Sprung ins Viertelfinale schaffte, herrscht auch hier Aufregung. Corona wird zu einer Problem-Pandemie.

Besondere Probleme hat die Deutsche Eishockey Liga, weil Eishockey eine teure Sportart ist und die Vereine meist nicht einmal über finanzielle Reserven verfügen. Sie machen eher Schulden oder leben von der Hand in den Mund. Bezeichnend, dass zum Beispiel Augsburg viele Heimspiele verlegen ließ, um dann wieder spielen und kassieren zu können, wenn Zuschauer erlaubt sind. Wie in allen Mannschaftssportarten schlug Corona zu und zahlreiche Spieler und sogar Mannschaften mussten in Quarantäne. Die DEL versuchte das Terminchaos damit aufzufangen, dass in der Tabelle nicht mehr die tatsächlichen Punkte zählen, sondern ein Punktequotient (Punkte durch Spiele), damit notfalls durch unterschiedliche Spielzahl eine gerechte Tabelle ermittelt werden kann. Allein die unterschiedliche Anzahl von ausgetragenen Spielen ist schon störend. Damit überhaupt genug Nachholtermine möglich sind, wurde auch während der Olympischen Spiele trotz Abstellung einiger Akteure gespielt und jetzt wird die Saison sogar um zwei Spieltage verlängert. Schluss ist erst eine Woche später am 1. und 3. April, die Play-Offs beginnen dann am 5. April. Mal sehen, ob es eine vollständige Tabelle gibt. Die Fans aber müssen mit einem Terminchaos leben.

Chaos herrschte bei der Nationalmannschaft auf dem Eis, aber auch der Trainer ist nicht auszunehmen. Nach zuletzt überraschenden internationalen Erfolgen mit Olympia-Silber vor vier Jahren in Pyeongchang und Halbfinale bei der Weltmeisterschaft 2021 gingen die Eishockey-Cracks mit breiter Brust ins olympische Turnier, zumal das Fehlen der NHL-Stars Deutschland eher in die Karten spielen sollte, auch wenn auf Superstar Leon Draisaitl verzichtet werden musste. Kapitän Moritz Müller rief selbstbewusst die Goldmedaille als Ziel aus, Trainer Toni Söderholm verbreitete Zuversicht und Stärke, „die anderen müssen uns erst einmal schlagen“.

Einen guten Hintergrund gab es dafür, trotz einiger Ausfälle waren zehn der Silber-Boys noch im Team und 21 von 25 Spielern aus dem WM-Halbfinale zählten zum Peking-Aufgebot. Doch dort war alles anders, es fehlten einige junge Talente und damit das Tempo, die Mannschaft kam mit der kleineren Eisfläche nach NHL-Maßen nicht zurecht, die Gegner wurden offensichtlich unterschätzt. Die Slowakei besiegte man in einem Testspiel, die USA trat nur mit Collegespielern an, Kanada zum Teil höchstens mit NHL-Altstars, die jetzt in Europa ihr Geld verdienen. Die Prognosen waren gut, die Spiele schlecht, Deutschland verlor und hatte nur gegen Außenseiter China sein Erfolgserlebnis. „Das haben wir uns anders vorgestellt“, gestand Verteidiger Korbinian Holzer, einst selbst in der NHL.

Für Unruhe sorgt auch Trainer Toni Söderholm. Der Finne ist zwar bei der Mannschaft beliebt und der Verband würde gern mit ihm trotz dieses Tiefs verlängern, aber der Coach brütet noch über seine Zukunft. Eigentlich zieht es ihn in die NHL, andererseits hat er offensichtlich ein gutes Angebot von den Mannheimer Adlern vorliegen. Dort könnte er seine Vorstellungen vielleicht eher verwirklichen. Noch vor der Weltmeisterschaft in Finnland ab 13. Mai will er Klarheit haben. Aber wie die Zukunft im Verband aussieht, das steht sowieso in den Sternen. Erst kurz vor der WM wird am 7. Mai der neue Präsident gewählt. Es könnte durchaus der alte sein, obwohl Franz Reindl eigentlich schon seinen Rückzug publik gemacht hatte. Doch da sah er sich schon als Weltpräsident, doch dieser Versuch scheiterte krachend. Und zu Hause gibt es Chaos, einige Landesverbände fordern den Rücktritt des Präsidenten wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten. Wegen möglicher verdeckter Zahlungen und Insolvenzverschleppung ist sogar die Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Kann Reindl mit diesem Schatten Präsident bleiben? Und wie sehen die Überlegungen von Toni Söderholm bei diesem Chaos aus?

Das deutsche Eishockey, egal ob Verband oder Vereine, hat es in der Vergangenheit noch immer geschafft, Erfolge und positive Schlagzeilen wieder ins Gegenteil zu verkehren. Die Chance, die Beliebtheit der attraktiven Sportart zu steigern, wurde nie genutzt. Wie jetzt. Nach Olympia bleibt Unsicherheit, es ist eine Chaos-Saison.

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