Frauen-Fußball: Die Letzten wollen die Ersten sein
von knospepeter
Amerikas Fußball-Nationalteam kann als Vorbild gelten: Die Frauen haben einen Vergleich mit dem US-Verband erreicht und erhalten künftig die gleichen Prämien wie die Männer. Es ist ein Sieg im ewigen Kampf um das Equal-Pay, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer. „Es ist ein monumentaler Schritt vorwärts“, freut sich die Kapitän und Initiatorin Megan Rapinoe. Der Verband zahlt ihnen rückwirkend 22 Millionen Dollar für entgangene Prämien und zwei weitere Millionen zur Förderung von Mädchen- und Frauenfußball. Ab sofort werden beide Nationalteams Prämien in gleicher Höhe erhalten.
Die US-Damen haben den Vorteil, dass sie in ihrer Heimat populär sind, darum kämpfen die Frauen in Europa noch, vor allem in Deutschland. Hier war der Frauen-Fußball in Europa führend, doch inzwischen haben andere Nationen dem DFB den Rang abgelaufen. England, Spanien und die Niederlande haben die Spitze übernommen, Deutschland hinkt inzwischen ein bisschen hinterher. Es geht dabei nicht nur um Anerkennung, inzwischen auch um den sportlichen Anschluss. Eine Standortbestimmung sollte der Arnold-Clark-Cup in England sein, doch da schaut es jetzt eher düster aus mit dem letzten Platz. Bangemachen gilt allerdings nicht, weil nach 14 Absagen eher ein Nachwuchsteam am Start war, erfahrene Stützen der Mannschaft fehlten. „Wembley bleibt unser Ziel“, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg trotzig. In Wembley findet bei der Europameisterschaft vom 6. bis 31. Juli das Endspiel statt. Dort will das DFB-Team hin und natürlich dann auch gewinnen. Die Letzten wollen die Ersten sein.
Die Spiele in England waren allerdings ein willkommener, sogar notwendiger Test für die deutschen Mädchen, die in der WM-Qualifikation keine ernsthaften Gegnerinnen haben und leicht unbesiegt bleiben können. Diesmal waren Spitzenteams dabei, nämlich Spanien (1:1), Kanada (0:1) und Gastgeber England (1:3). Statt Erfolgserlebnissen gab es einen Lerneffekt, vor allem die unbedarfte Abwehr musste Lehrgeld zahlen, sie wurde am Ende von England überrollt. Da fehlte vor allem die fast schon dauerverletzte Marina Hegering, aber auch Lena Oberdorf. Spielerinnen wie Kapitänin Alexandra Popp, Dzsenifer Marozsan und Svenja Huth können für Ruhe und Schwung sorgen. Ohne sie geht es nicht. Deutschland hat eine schwere EM-Gruppe erwischt, Dänemark, Spanien und Finnland sind die Gegner. Da hängen die Trauben hoch, zumal der achtmalige Rekord-Europameister zuletzt international nicht erfolgreich war. Bei der EM 2017 und WM 2019 war für Deutschland jeweils im Viertelfinale Schluss, für Olympia 2021 wurde die Qualifikation verpasst. 2016 war Deutschland noch Olympiasieger.
Es passt für die Träume und Pläne im Frauen-Fußball gar nicht, dass das Nationalteam als Aushängeschild einen Durchhänger hat. Auch in Deutschland kämpfen die Frauen um mehr Anerkennung und Gleichberechtigung mit den Männern. Sie hoffen auf mehr Aufmerksamkeit, vor allem durch Fernsehzeiten. Das Turnier in England versteckten ARD und ZDF im Streamingdienst, Länderspiele werden meist nur am Nachmittag übertragen. Die Bundesliga spielt vor mehr oder weniger leeren Tribünen, Zuschauerzahlen über 1000 sind eine Seltenheit.
Bei Organisation und Spielplangestaltung muss wohl zuerst angesetzt werden. Mit zwölf Mannschaften ist die Frauen-Bundesliga zu klein, es gibt zu wenige Spieltage für mehr Aufmerksamkeit. Außerdem ist die Spielplangestaltung fast schon konfus, das Hauptaugenmerk liegt auf internationalen Terminen, die Bundesliga spielt, wenn halt Zeit ist. Nach der Winterpause gab es zwei Spieltage, dann schon wieder die Pause für den Cup in England. Es folgen immerhin fünf Spieltage am Stück vor der nächsten Pause, dann folgt der Endspurt mit gerade noch drei Spieltagen, die Saison endet am 15. Mai, fast zwei Monate vor der EM, so viel Zeit hätte die Männer auch mal gern als Vorbereitung auf ein großes Turnier.
Neidisch schauen die Frauen in Deutschland auch nach England, Frankreich und Spanien. Dort haben immer mehr Top-Vereine die Frauen unter ihre Fittiche genommen und die sind entsprechend erfolgreich. Der FC Barcelona bestimmt neuerdings das Geschehen, vorher waren es Olympique Lyon und Paris St. Germain. Die deutsche Dominanz ist vorbei. Immer mehr übernimmt England das Kommando mit Manchester United, Arsenal London und anderen. Dort steigen die Zuschauerzahlen, dort ist das Geld und zieht immer mehr Spielerinnen an. Internationale Stars machen inzwischen um die Bundesliga einen Bogen, weil sie in England, Spanien oder bei Paris mehr verdienen.
Neidisch schauen die deutschen Frauen auf spektakuläre Spiele im Ausland mit für hierzulande utopischen Zuschauerzahlen. Schon im März 2019 waren 60.739 Zuschauer in Madrid beim Spiel der Frauenliga zwischen Atletico und dem FC Barcelona. Sogar in Italien kamen 40.000 zum Frauen-Duell zwischen Juventus Turin und Florenz. In England sind zweistellige Zuschauerzahlen an der Tagesordnung, das EM-Finale in Wembley werden 70.000 sehen.
Erste Versuche gibt es jetzt auch in Deutschland. Wolfsburg war der Vorreiter, die VfL-Frauen werden das Heimspiel im Viertelfinale der Champions League gegen Arsenal London in der Volkswagen-Arena, der Heimstätte der Bundesliga-Männer, austragen. Da wollte der FC Bayern nicht zurückstehen, die Bayern-Mädchen dürfen also in die Allianz-Arena zum großen Duell in der Champions League gegen Paris St. Germain. Sie hoffen am 22. März wenigstens auf 20.000 bis 30.000 Zuschauer, also eine große Kulisse. Das Schild „ausverkauft“ wird es kaum geben, aber ein Anfang ist gemacht. Das nächste Bundesligaspiel gegen Köln am 6. März werden am Bayern-Campus allerdings wohl wieder nur ungefähr 1000 Zuschauer verfolgen. Der Blick geht aber in die Zukunft, ein Anfang ist gemacht. Vielleicht werden auch hier quasi die Letzten einmal die Ersten sein.