Am Ende des Winters herrschte Abschiedsstimmung
von knospepeter
So ganz ist der Winter noch nicht vorbei, sowohl meteorologisch, als auch sportlich, doch gerade sportlich lässt sich schon eine Bilanz ziehen. Vor allem, weil das Ende des Winters von einer Abschiedsstimmung geprägt war. Einmal, weil bekannte Sportgrößen ihr Karriere-Ende ankündigten, zum anderen, weil der Wintersport vor einen ungewissen Zukunft steht, wie lange denn noch überhaupt Wintersport in gewohnter Weise betrieben werden kann. Da muss sich vor allem der Spoitzensport Gedanken machen, wie er dem Klimawandel begegnen kann. „Die Jugend wird Schnee bald nicht mehr kennen, wie soll es denn Nachwuchs für unseren Sport geben?“ hadern die Größen von heute.
Vielleicht war es auch eine Art letztes Aufbäumen, dass einige spektakuläre Rekordmarken vor allem im alpinen Skisport gebrochen wurden. An der Spitze sicherlich die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin, die von Sieg zu Sieg eilte und mit 87 Weltcuperfolgen jetzt die erfolgreichste Skirennsportlerin aller Zeiten ist. Sie übertraf auch den Rekord des Schweden Ingemar Stenmark mit 86 Siegen. Die einst utopische Zahl von 100 ist nicht mehr weit und für Shiffrin möglich, sie ist erst 28 Jahre alt. Logisch, dass sie auch wieder Weltcupsiegerin wurde. Ihr männliches Pendant war der Schweizer Marco Odermatt. Der fuhr der Konkurrenz ebenfalls um die Nase und knackte die legendäre Alpin-Bestmarke vom „Herminator“, dem Österreicher Herrmann Maier, der einst 200 Punkte in einer Saison sammelte. Odermatt holte sich den Weltcup jetzt mit 2042 Punkten.
Rekorde zu einer Zeit, da man sich fragt, wie lange es Rekorde überhaupt noch gibt. Da passt es vielleicht auch, dass es, bevor es den Winter nicht mehr gibt, noch zu einer spektakulären Premiere reichte. Die 15 besten Skispringerinnen durften erstmals auf eine Skiflugschanze. Dafür hatte man Vikersund ausgesucht, weil die Schanze gut zu springen ist. Die Slowenin Erna Klinec sorgte mit 226 Metern für den ersten Weltrekord, ein Stückchen von dem der Männer mit 253,5 Metern (Stefan Kraft, Österreich) ist er entfernt. Aber ein toller Anfang ist gemacht. Von den 200 Metern träumten auch die deutschen Frauen, die glücklich über die Premiere waren, weniger glücklich darüber, dass der deutsche Rekord bei 194 Metern steht, Katharina Althaus ist sich aber sicher, dass die 200 Meter beim nächsten Mal fallen. Noch darf man von einem nächsten Mal träumen.
Abschiedsstimmung herrschte vor allem im Biathlon, einer Sportart, die notfalls auch ohne Schnee auskommen kann, aber was ist Wintersport ohne Schnee? Vor allem die Damen verkündeten reihenweise ihren Abschied. Norwegen trifft es gleich ganz hart, weil mit Marte Olsbu Röiseland die erfolgreichste Skijägerin aller Zeiten die Bühne verlässt. Sie brachte es auf sieben Olympia- und 17 WM-Medaillen. Wegen einer Corona-Erkrankung stieg sie erst verspätet in ihre Abschiedssaison ein, eine Kollegin schaffte es gar nicht. Auch Tiril Eckhoff wird nicht zurückkehren, Corona hat sie komplett gestoppt.
Die deutschen Frauen verlieren ihre Anführerin. Die 34-jährige Denise Herrmann-Wick hat ihre Karriere beendet, das Team verliert ihre „Mami“, wie sie von den meist jüngeren Kolleginnen gern genannt wurde. Die einstige Langläuferin geht als Olympiasiegerin und Weltmeisterin, sie hat alles erreicht, geht als Große des Wintersports. Ihren Lebensmittelpunkt hat die Sächsin nach Ruhpolding in Bayern verlegt, dort steht mit ihrem Mann ein Hausbau und die Gründung einer Familie an. Schöner kann die Zukunft nicht sein. Wie es allerdings mit der Zukunft des Biathlonsports aussieht, ist offen. In die Fußstapfen von Herrmann-Wick könnte Franziska Preuß treten, wenn es die Gesundheit zulässt. Ein Versprechen für die Zukunft sollte allerdings die 18-jährige Selina Grotian aus Garmisch-Partenkirchen sein, die vierfache Junioren-Weltmeisterin wurde und vom einstigen Coach von Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier trainiert wird.
Apropos Coach, bei den Herren gab es zum Abschluss auch noch einen überraschenden Abschied: Trainer Mark Kirchner will sich den Stress nicht mehr antun. Vielleicht ist ihm auch die unheimliche Siegesserie des Johannes Thinges Bö auf die Nerven gegangen, der schier unschlagbar war. Jetzt soll Kirchners Assistent Uros Velepec das Kommando übernehmen, der 55-jährige Slowene soll zusammen mit dem einstigen Langläufer Jens Filbrich an seiner Seite für neuen Schwung sorgen. Den kann das Herren-Team brauchen.
Zur Zeit des Abschieds passt auch, dass der König der Königsdiszplin abtritt. Der 34-jährige Eric Frenzel schaffte es in dieser Saison nicht mehr nach ganz vorn, aber er geht erhobenen Hauptes, mit 18 Medaillen bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften ist der Kombinierer der meist dekorierte männliche Sportler. Mit ihm geht auch Trainer Hermann Weinbuch nach langer erfolgreicher Arbeit. Vielleicht haben beide auch die ungewisse Zukunft ihrer Sportart vor Augen, die die Lust an der täglichen Plackerei nimmt.
Ob der Wintersport Zukunft hat, hängt vom Klimawandel ab, aber auch davon, dass Verbände und Funktionäre endlich Konsequenzen und auf die erschwerten Bedingungen eingehen. Man kann nicht x-beliebig von Kontinent zu Kontinent fliegen, die Veranstaltungsketten müssen intelligent geplant werden, damit die Umwelt geschont wird. Der Wintersport kann selbst viel tun, damit viele noch lange Wintersport betreiben können.