Was ist mit Brasiliens Fußball los?
von knospepeter
Was haben wir früher geschwärmt, vom Fußball in Brasilien! „Brasilianischer Ballzauber“ war der Inbegriff für hochklassigen Fußball. Hat einer neben den Ball getreten, so gab es als Trost die Bemerkung „bist halt kein Brasilianer“. Die Talente von der Copa Cabana, die im Sand den Ball besser beherrschten als wir auf der Straße oder im Gras, kamen uns vor wie höhere Wesen. Und seit dem Titelgewinn 1958, mit dem der Siegeszug der Mannschaft um den wohl noch heute besten Spieler aller Zeiten, Pelé, begann, wollte eigentlich jeder am liebsten ein Brasilianer sein. Immer noch ist Brasilien Rekord-Weltmeister mit den Titelgewinnen 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002.
Und heute? Heute ist die Frage, „was ist mit Brasiliens Fußball los?“. Große Hoffnung gab es durch die Titelkämpfe im eigenen Land vor einem Jahr. Diese Weltmeisterschaft sollte Brasilien den Fußball-Glanz zurückbringen, ein ganzes Land in Euphorie versetzen. Am Ende blieb Trauer zurück, ein Scherbenhaufen für den Fußball, die Schmach des 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland wirkt bis heute nach. Der nächste Rückschlag kam nämlich vor wenigen Tagen mit dem Aus gegen Paraguay mit 3:4 im Elfmeterschießen im Viertelfinale der Copa America in Chile. Auch Carlos Dunga, genannt „der Deutsche“, konnte es nicht richten. Brasilien musste zusehen, als am Samstag Erzfeind Argentinien und Gastgeber Chile das Finale bestritten. Es zeigte sich 2014 wie diesmal, dass Brasilien ohne den einzigen derzeitigen Superstar Neymar nicht gewinnen kann.
Brasilien will im Fußball wieder das Brasilien von früher werden und deshalb soll eine Experten-Kommission „Strategische Entwicklung“ für eine gute Zukunft sorgen. Aufgabe: Den Zustand analysieren, einen Aktionsplan aufstellen. Frühere Nationaltrainer wie Carlos Alberto Parreira (Weltmeister 1994) und Sebastiao Lazaroni haben ihre Mitwirkung zugesagt. Carlos Dunga soll ebenso dabei sein wie Ex-Spieler, Journalisten und Sport-Wissenschaftler. Die Talente, die es in Brasilien immer noch zuhauf gibt, sollen wieder zu Starspielern werden und nicht irgendwo bei zweitklassigen Klubs im Ausland verkümmern, weil sie zu früh dem schnellen Geld nachlaufen, froh, den Slums entkommen zu sein.
Ob dies für die Weltmeisterschaft 2018 schon reicht? Dieser Plan muss wohl langfristig greifen. So schwärmen wir hierzulande eher noch von den Stars der Vergangenheit, vom „Wundersturm“ um Pelé mit Vava, Didi und Garrincha, von Ronaldo, Rivaldo, Socrates, Roberto Carlos und vielen anderen.
Olympische Spiele als Hoffnung
Die Frage „was ist mit Brasiliens Fußball los?“ gilt auch für die Frauen. Auch die Frauen um die mehrmalige Weltfußballerin Marta galten bei fast allen WM-Turnieren als Mitfavorit, doch Titel holten sie keine. In Kanada kam das Aus gleich im Achtelfinale ausgerechnet gegen Australien und nicht gegen eine große Mannschaft. Im nächsten Jahr soll es bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro besser werden, aber derzeit sieht es für Männer und Frauen eher nach Trauer wie bei der WM und nicht nach Euphorie aus. Auch bei Olympia konnten Männer und Frauen bisher nie Gold gewinnen, es blieb höchstens Silber oder Bronze (Deutschlands Männer und Frauen kamen übrigens nie über Bronze hinaus). Vielleicht wird aber auch alles anders und die Olympischen Spielen der Start zu einer neuen Hochzeit des Fußballs in Brasilien. Hoffentlich müssen wir als amtierender Weltmeister (Männer) nicht bald fragen, „was ist mit dem Fußball in Deutschland los?“
Ein Gruß von Pelé
Übrigens: Der Sport-Grantler ist stolz, dass er in seinem Trophäen-Keller ein T-Shirt mit der Original-Unterschrift von Pelé hängen hat, von dessen Abschiedsspiel 1977 bei Cosmos New York. Pelés große Karriere ging damals zu Ende. Schöne Erinnerungen bleiben, schöne Erinnerungen an den großen Fußball Brasiliens. Der Sport-Grantler würde sich über eine große Zukunft von Brasiliens Fußball freuen.