Niemand will die Bayern zum Meister machen
Seltsame Fußball-Bundesliga: Erst findet sich in der Saison kein ernsthafter Konkurrent für den Titelverteidiger Bayern München (nachdem die Anfangseuphorie in Dortmund verflogen ist), am Ende, dann, wenn der letzte Schritt der Münchner zum Titelgewinn ansteht, da begehren die Gegner plötzlich auf. Unisono heißt es: „Die Bayern werden ja sowieso Meister, aber bei uns sollen sie es nicht werden.“ Dies ist am Samstag auch die Gefühlslage in Augsburg. Die Bayern Meister beim FCA – keine angenehme Vorstellung bei den FCA-Fans, die kaum Sympathien für den übermächtigen Nachbarn haben.
Die Augsburger wissen, sie brauchen im Derby einen Glanztag, damit die Bayern nicht feiern. Allerdings haben die Schwaben den Vorteil, dass die Bundesliga derzeit für die Münchner nur ein Pflichtprogramm darstellt, im Mittelpunkt stehen die zwei Duelle mit dem FC Sevilla in der Champions League. Da geht es am 3. und 11. April um den Einzug ins Halbfinale und der Gegner könnte eine größere Hürde sein, als bei der Auslosung erhofft. Das 2:2 von Sevilla gegen den FC Barcelona am Wochenende war Warnung genug. Zurück zu Augsburg und die Hoffnung der FCA-Fans: Bayern-Trainer Jupp Heynckes wird zwischen den Sevilla-Spielen wohl rotieren lassen. Motto: Meister werden wir sowieso, wann, ist egal. Die Bayern könnten aber in Konkurrenz treten zu den anderen dominanten Teams in Europa: Manchester City führt in England mit 16 Punkten Vorsprung, Paris St. Germain hat in Frankreich 17 Zähler Abstand auf Monaco, genauso also wie die Bayern gegenüber dem Bundesliga-Zweiten Schalke 04. Wer wird zuerst Meister?
Eines zeigte sich am vergangenen Wochenende: Das 6:0 gegen Borussia Dortmund bewies, dass die Bayern für Sevilla gerüstet sind. Doch so leicht wird es ihnen von den Spaniern nicht gemacht werden. Das 6:0 bewies nämlich auch, dass Dortmund derzeit kein ernsthafter Bayern-Konkurrent ist. Fast unglaublich, dass die Dortmunder am Anfang mal fünf Punkte Vorsprung vor den Münchnern hatten. Jetzt wurden die Westfalen zum Sorgenkind. Was der Mannschaft fehlt, ist eine echte Führungspersönlichkeit. Weil die nicht mehr auf den Rasen geholt werden kann, bauen die Macher um Boss Watzke und Sportchef Zorc auf Führung rund um die Mannschaft. Der einstige Kapitän Sebastian Kehl soll als neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung (unter Zorc) nah an die Mannschaft rücken, der einstige Trainer Matthias Sammer soll als externer Berater aufzeigen, wo die Schwachstellen im Mannschaftsgefüge liegen. Nach dem spielerischen Offenbarungseid der Dortmunder in den letzten Wochen und vor allem in München sind auch die Tage von Trainer Peter Stöger gezählt. Nach der Saison wird erst der richtige große Umbruch kommen.
Die Bundesliga bietet kaum sehenswerte Unterhaltung (immerhin gab es diesmal zwei 6:0-Klatschen), aber weiterhin Spannung. Der Kampf um Europa und gegen den Abstieg geht weiter und bietet am kommenden Wochenende zwei brisante direkte Duelle: Bei Frankfurt gegen Hoffenheim und Leipzig gegen Leverkusen geht es um die Fleischtöpfe in Champions League und Europa League. Dagegen spielt Köln gegen Mainz quasi um die letzte Chance auf den Klassenerhalt, weil eben der direkte Anschluss an einen Konkurrenten geschafft werden kann, bei Freiburg gegen Wolfsburg wiederum heißt es, der Sieger bekommt Luft, der Verlierer verstärkt Atemnot im Abstiegskampf. Spielerische Klasse dürfen wir freilich nicht erwarten.
Spielerische Klasse zeigte zweifellos die Nationalmannschaft. Mehr beim 1:1 gegen Spanien, weniger beim 0:1 gegen Brasilien, doch da bot Jogi Löw mehr seine zweite Garnitur auf. Der Bundestrainer begünstigte das Vorhaben der Brasilianer, sich ein bisschen wenigstens für das 1:7 bei der Weltmeisterschaft 2014 zu revanchieren. So hat die geschundene Fußballseele der Südamerikaner wenigstens ein bisschen Ruhe. Deutschland aber gewann seine letzten vier WM-Testspiele gegen England, Frankreich, Spanien und Brasilien nicht (drei Unentschieden, vier Spiele ohne Sieg gab es zuletzt 2004!) und machte damit deutlich: Der Weg zu einer erfolgreichen Titelverteidigung im Sommer in Russland wird kein Spaziergang. Genau diese Testgegner werden auch die größten Konkurrenten sein, wobei Spanien den besten Eindruck hinterließ. Jogi Löw dürfte aber schon Erkenntnisse gewonnen haben, wer ihm in Russland nicht unbedingt helfen kann. Das Berliner Stadion war übrigens ausverkauft, die Fans mussten aber wieder das alte Leiden der Freundschaftsspiele hinnehmen, viel Geld für wenige Stars. Insofern war diese Begegnung sogar ein Plädoyer für die neu geschaffene und in der Kritik stehende Nations League.
Bei der WM soll es auch den Videobeweis geben und das ohne große Tests vorher. Wie kompliziert der Videobeweis ist, der eigentlich Klarheit und Gerechtigkeit bringen soll, zeigte sich wieder in der Bundesliga. Einmal wird eine knappe Abseitsentscheidung geahndet, bei einem anderen Spiel wiederum nicht. Logisch, dass die Aufregung groß ist, wer sich benachteiligt fühlt, wehrt sich. Hannover will bei der DFL sogar Beschwerde einlegen. Fehler dürfen passieren, aber nur zu Ungunsten des Gegners… Und wenn die gefühlte Benachteiligung besonders krass ist, dann flippt auch mal ein Trainer richtig aus. Ein Wunder, dass Freiburgs Coach Christian Streich beim Ärger über ungerechtfertigte Gelbe Karten keinen Herzinfarkt erlitten hat. Aber die Szenen seiner Aufregung zeigten deutlich: Die Bundesliga kann gesundheitsschädlich sein. Die EU wird sicherlich bald entsprechende Warnhinweise vorschreiben.