Sehnsucht nach Medaillen, Sehnsucht nach Geld
von knospepeter
Die Bilanz war eigentlich gar nicht so schlecht: Platz fünf im Medaillenspiegel, 42 Medaillen geholt, davon sogar 17 Goldene. Mehr Gold gab es nur unmittelbar nach der Wende, 1992 mit 33 (insgesamt 82 Medaillen) und 1996 mit 20 (65). Deutschlands Sport könnte zufrieden sein am Ende des Jahres 2016 mit den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro.
Ist er aber nicht. Egal, ob Fans, Verbände oder Regierung – es gibt eine Sehnsucht nach Medaillen. Platz fünf (hinter den USA, Großbritannien, China und Russland) ist ganz gut, aber Deutschland soll Spitze sein, 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta stand Deutschland auf Platz drei im Medaillenspiegel, übrigens ein Ranking, das Deutschland auch im Schnitt aller Sommerspiele seit 1896 einnimmt. Rang fünf ist also zu wenig.
Die Regierung fördert den Sport mit rund 160 Millionen Euro im Jahr und will dafür Medaillen sehen. Die Athleten sollen sauber sein, Doping ist nicht erwünscht, aber sie sollen auch erfolgreich sein, das geht selbst in einer dopingverseuchten Sportwelt. Die Frage ist nur, wie geht der Weg zum Erfolg, sprich Titel und Medaillen. Die Verbände selbst haben auch eine Sehnsucht nach Medaillen, davor aber steht die Sehnsucht nach Geld. Ihre Gleichung ist einfach: Mehr Geld ist gleich mehr Erfolg.
Doch die Gleichung geht nicht auf, das zeigte Rio deutlich. Die Versager waren vor allem die Schwimmer und Fechter, am Geld mangelte es ihnen nicht, sie unterhalten Leistungsstützpunkte, die früher durchaus erfolgreich waren. Die Frage ist jetzt, wie das Geld verteilt werden soll. Innenminister Thomas de Maiziére stellt klar: „Es geht nicht nach dem Gießkannenprinzip. Wer wenig Potenzial hat, kann nicht so viel Geld kriegen, wie jener, der viel Potenzial hat.“ Da verknotet sich ein gordischer Knoten: Wer noch keinen Erfolg hat, bekommt also wenig Geld, er will aber mehr Geld, damit er die Voraussetzungen für mehr Erfolg schaffen kann. Die Lösung könnte sein: Untersuchen, welche Verbände denn Erfolg versprechen!
Allerdings darf es im deutschen Sport nicht nur um Medaillen und Titel gehen. Erfolge tun sich auch da auf, wo die Bevölkerung zum Sport findet, wo die Jugend raus aus Dicos und runter vom Sofa geholt wird, weg von den Computern, hin zu Bewegung, zu Sport in Hallen und an frischer Luft. Gelingt das, hat der Sport schon einmal einen Erfolg erzielt. Am Ende der Kette werden dann auch Medaillen stehen, wenn die Talente richtig gefördert werden.
Es scheint aber so zu sein, dass es im deutschen Sport vorne und hinten knirscht und zwackt. So ist es ein Unding, dass viele Bundestrainer noch keinen Vertrag für 2017 haben. Der Leistungssport wird auch durch unfähige Funktionäre und zu viel Bürokratie gebremst. Die Sportverbände kämpfen um ihre Pfründe und die beginnen beim Geld. So formiert sich Widerstand gegen die geplante Spitzensport-Förderung, die den Erfolgreichen Vorteile verschafft. Viel Zündstoff für die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sport-Bundes Anfang Dezember in Magdeburg. Dort wird sie wieder offen zutage treten, die Sehnsucht nach Medaillen, zuerst aber die Sehnsucht nach Geld. Und apropos Gießkannenprinzip: Alle werden die Hand aufhalten.
Statistik-Übersicht (deutsche Medaillen bei Sommerspielen, Gold-Silber-Bronze-Gesamt-Rang Medaillenspiegel):
1992 Barcelona: 33-21-28-82-3.
1996 Atlanta: 20-18-27-65-3.
2000 Sydney: 13-17-26-56-5.
2004 Athen: 13-16-20-49-6.
2008 Peking: 16-10-15-41-5.
2012 London: 11-19-14-44- 6.
2016 Rio de Janeiro: 17-10-15-42-5.