Copa America schlägt die EM!
von knospepeter
Die Fußball-Europameisterschaft holt die Deutschen derzeit auf die Sofas, das Fernsehen feiert hohe Einschaltquoten. Aber die Begeisterung ist dennoch gedämpft, Public Viewing ist nicht mehr der große Renner, da spielt natürlich auch das Wetter eine Rolle. Angst vor Terror und Nässe ersticken ein mögliches Sommermärchen im Keim. Aber auch sportlich lässt die Europameisterschaft Wünsche offen. Und dies, obwohl die sogenannten „Kleinen“ wie Wales oder Island für Begeisterung sorgen. Erstickt wird auch der begeisternde Fußball, nämlich im taktischen Geplänkel. Diesbezüglich könnte die kürzlich beendete Copa America, die „Europameisterschaft“ in Südamerika, als Vorbild dienen. Dort, so beobachtete es Österreichs Ex-Nationalspieler Andreas Herzog als Co-Trainer der USA, „wird der offensivere und technisch feinere Fußball mit der besseren individuellen Klasse geboten“. Klare Aussage: Die Copa America schlägt die Europameisterschaft!
Zum 100-jährigen Jubiläum wurde die „Copa America Centenario 2016“ in den USA ausgetragen und so waren auch die USA ausnahmsweise dabei. Nach anfänglicher Zurückhaltung gab es große Begeisterung im Land des Gastgebers, Erinnerungen an die Weltmeisterschaft 1994 wurden wach und die USA darf diese Copa auch als Bewerbung für die WM 2026 einreichen. Die Copa hatte den Vorteil, dass 16 Nationen am Start waren, so wie bisher ebenfalls bei der EM. Die Aufstockung auf 24 Nationen tat der EM in Frankreich nicht gut, aber eine Reduzierung wird es nicht mehr geben. Bei der Copa fielen auch viel mehr Tore, die Spiele konnten begeistern. Mit dem Ausscheiden von Brasilien bereits nach der Gruppenphase gab es ebenfalls einen großen Favoritensturz. Die Copa bot alles!
Die USA unter Jürgen Klinsmann schaffte es sogar ins Halbfinale, hatte aber beim 0:4 gegen Argentinien keine Chance. Im zweiten Halbfinale trafen sich die Mannschaften, die neben Argentinien am meisten begeisterten, nämlich Kolumbien und Chile, der Titelverteidiger und erneute Meister. Wieder setzte sich Chile (angeführt vom Bayern-As Arturo Vidal) im Finale gegen Argentinien im Elfmeterschießen durch und unterstrich, dass es in Südamerika die Rolle der Fußball-Großmacht von Brasilien übernommen hat. Im Land vom einstigen Super-Star Pele ist die Trauer groß, aber auch Argentinien jammert, weil Lionel Messi nach Final-Niederlagen in Serie mit der Nationalmannschaft die Lust verloren hat und seinen Rücktritt erklärte. Die Copa bot also alles, Begeisterung und tiefe Niedergeschlagenheit.
Was wird am Ende der Europameisterschaft nach dem Finale am 10. Juli stehen? Welche Fußball-Größen haben danach die Niederlagen satt? Einige Trainer haben schon ihren Abschied verkündet, weil ihre Mannschaften die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Das Brasilien von Europa war wohl England, das mit einer vermeintlich hoffnungsvollen Mannschaft in Frankreich antrat und am Ende gegen Island hoffnungslos unterging. Was noch fehlt für die letzte Woche ist spektakulärer Fußball frei von taktischen Zwängen, getragen von Begeisterung. Doch ist das in Europa überhaupt möglich?