Jogi Löw: Alte Kameraden und junges Blut
von knospepeter
Eigentlich beginnt die Fußball-Europameisterschaft erst am 10. Juni in Frankreich, aber der Startschuss fällt bei allen Teilnehmern in diesen Tagen – es ist die Zeit der EM-Nominierung. Als Verbeugung vor dem Gastgeber stellte Bundestrainer Joachim Löw seinen Kader (Die Mannschaft) in der französischen Botschaft in Berlin vor. Er hat im Vorfeld von Überraschungen gesprochen und ein bisschen hat er Wort gehalten. Was auffällt: Jogi Löw hält an alten Kameraden fest, hat aber seinem erweiterten Kader auch junges Blut zugefügt. Dafür wird der eine oder andere Spieler bei einem Anruf des Bundestrainers aus allen Wolken gefallen sein, weil er eben nicht dabei ist. Das gilt für die Torhüter Trapp und Zieler, sowie für die Weltmeister Durm und Ginter aus Dortmund, die höchstens noch auf Verletzungen im vorläufigen EM-Kader hoffen können. Auch die Weltmeister Kramer und Großkreutz fehlen. Dafür ist Torjäger Mario Gomez wieder dabei, der ja auf die WM verzichten musste.
Große Experimente geht der Bundestrainer nicht ein. Natürlich bilden die Weltmeister das Gerüst der Mannschaft und er hält auch an manchen alten Kameraden fest, die noch verletzt sind (Schweinsteiger, Khedira) oder nicht gerade in Bestform (Podolski). Lange Weggefährten lässt Löw nicht einfach zu Hause. So sieht er seinen Kapitän Bastian Schweinsteiger als echten Mannschaftsführer und will ungern auf ihn verzichten. Er hofft auf einen ähnlichen Effekt wie bei der Weltmeisterschaft, als Schweinsteiger nicht fit anreiste, im Finale aber quasi der Vorkämpfer war und großen Anteil am Titelgewinn hatte. So hofft Löw auch, dass sowohl Khedira als auch Höwedes Stabilisatoren im Team sein werden.
In der Torhüterfrage gaben wohl die letzten Bundesligaspiele den Ausschlag. Ron-Robert Zieler, viele Jahre braver Ersatzmann, litt unter dem Abstieg seines Vereins Hannover 96, Kevin Trapp konnte sich in Paris nicht so profilieren wie Bernd Leno zuletzt in Leverkusen. Leno (noch ohne Länderspiel) schien eher ein Kandidat für die Olympischen Spiele zu sein. So stehen beide Torhüter der U 21 als Ersatzleute auf einer Stufe hinter Manuel Neuer, der unumstrittenen Nummer 1.
Jogi Löw geht ohne „echten“ Rechtsverteidiger zur EM, weil auf dieser Position keiner den Ansprüchen genügt oder man kann auch sagen, weil es ihn mit Ausnahme von Philipp Lahm nicht mehr gibt. So hinterlässt der Rücktritt des WM-Kapitäns schon eine erhebliche Lücke. Wer auch immer hier spielt, wird nur eine Notlösung sein, egal ob Höwedes, Can oder Rudy. Es mutet fast schon seltsam an, dass ein limitierter Mann wie Hoffenheims Sebastian Rudy, selbst im Verein nicht unumstritten, zum EM-Kader gehört.
Die Augen der Öffentlichkeit werden sich aber vor allem auf die jungen Spieler richten. Jogi Löw will einen flexiblen und harmonierenden Kader, dazu können Julian Weigl (Dortmund), Joshua Kimmich (Bayern), Julian Brandt (Leverkusen) und Leroy Sané (Schalke) beitragen. Auffallend, dass sie die Rückennummern von 24 bis 27 erhalten, also die Streichnummern im erweiterten Kader der 27 Mann, 23 werden am 31. Mai endgültig nominiert. Das heißt aber nicht, dass sie ohne Chance sind. Kimmich zum Beispiel hat bei den Bayern seine Flexibilität bewiesen, Sané und Brandt können im Angriff durchaus für Belebung sorgen. Für alle vier gilt: Wer bei der Europameisterschaft dabei ist, muss auf die Olympischen Spiele verzichten. Wer noch ausscheidet, auf den wartet also mehr als ein Trostpflaster!
Es ist zu früh, darüber zu spekulieren, ob Joachim Löw die künftigen Europameister nominiert hat. Er hat eine gute Mannschaft zur Verfügung, technisch ebenso gut wie kampfstark und mit Möglichkeiten für Überraschungen. Zu einem Titelgewinn braucht jedes Team aber auch ein bisschen Glück. Den nötigen Rückenwind sollte man von der Weltmeisterschaft 2014 haben. 20 Jahre nach dem letzten Europatitel 1996 wäre es ja wieder mal Zeit für den EM-Pokal!
Die EM-Vorbereitung beginnt am 24. Mai mit dem Trainingslager in Ascona, Länderspiele stehen für den 29. Mai in Augsburg gegen die Slowakei und 4. Juni in Gelsenkirchen gegen Ungarn auf dem Programm. Am 12. Juni ist in Lille die Ukraine der erste EM-Gegner (außerdem Polen und Nordirland), am 10. Juli soll das Finale in Paris das letzte EM-Spiel sein…
Der EM-Kader: Tor: Neuer, ter Stegen, Leno. – Abwehr: Boateng, Hummels, Höwedes, Hector, Rüdiger, Rudy, Can, Mustafi. – Mittelfeld/Angriff: Schweinsteiger, Khedira, Kroos, Özil, Kimmich, Weigl, Müller, Gomez, Schürrle, Götze, Podolski, Reus, Bellarabi, Draxler, Sané, Brandt.