Europas irre Fußball-Abende

von knospepeter

Mein Gott, warum haben wir solange auf solche Abende warten müssen. Quälend lang zieht sich die Champions League ab September mit der Gruppenphase dahin. Verband und Fernsehen wollen es so, das Geld zählt, nicht der Spaß. Aber erst im Frühjahr erwacht der Fußball zusammen mit der Natur, beide explodieren förmlich und wir erfreuen uns an Europas irren Fußball-Abenden.

Es war wirklich viel los in den vergangenen Spielen und dass vier Teams aus vier Nationen im Halbfinale der Champions League (CL) stehen, hat es auch schon lange nicht mehr gegeben. Aber der Weg dahin war so attraktiv, dass es in den letzten fünf Spielen wohl keine Steigerung mehr geben kann. Die Aufholjagd der Roma gegen den FC Barcelona wird ebenso unvergessen bleiben wie der Triumph des FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp gegen Manchester City und seinen alten Kontrahenten aus der Bundesliga, Pep Guardiola.

Auch Juventus Turin kratzte an der Sensation, als es ein 0:3 gegen Real Madrid aufholte, dann aber von einer harten Schiedsrichter-Entscheidung des Engländers Oliver gestoppt wurde. Nicht jeder Referee hätte bei dem Einsteigen von Benatia gegen Vazquez Elfmeter gepfiffen, vor allem nicht in der Verlängerung eines solch dramatischen Spiels. So waren Oliver und Torschütze Cristiano Ronaldo Spielverderber und Henker zugleich, so dass sich Turins Torhüter-Legende Gigi Buffon mit einer Roten Karten von Europas Bühne verabschiedete, weil er (verständlich) die Entscheidung so nicht hinnehmen wollte. Es war Dramatik pur, das Tüpfelchen aufs „i“ der irren Fußball-Abende.

Sauer war auch Manchesters Trainer Pep Guardiola. Der Katalane vermutet sogar eine spanische Verschwörung hinter den Entscheidungen des eigentlichen Landsmannes Lahoz, der einem regulären Tor von Flügelflitzer Sane die Anerkennung verweigerte. Schon im Hinspiel mussten City und Pep unter falschen Schiedsrichter-Entscheidungen leiden, doch da war der Münchner Felix Brych an der Pfeife. Aber diese Spiele zeigten einmal mehr deutlich, dass es zum Titelgewinn neben Leistung und ein bisschen Glück auch einen guten Schiedsrichter braucht. Das wollen wir nicht, dass es erst durch zweifelhafte Schiedsrichter-Entscheidungen irre Fußball-Abende gibt.

An irre Fußball-Abende mit zweifelhaften Schiedsrichter-Entscheidungen wird sich auch Bayern München erinnern, nämlich im letztjährigen Viertelfinale gegen Real Madrid mit einem unglücklichen Ausscheiden nach 2:1 und 2:4 nach Verlängerung. Jetzt treffen die beiden Giganten im Halbfinale wieder aufeinander und die Gesamtbilanz liest sich für die Bayern gar nicht so schlecht, die Bilanz ist nämlich ausgeglichen mit je elf Siegen und zwei Unentschieden. Was aber die Münchner zum Außenseiter macht: Die letzten fünf Vergleiche gingen alle an Real. Und was auch noch dazu kommt (siehe oben): Die Königlichen haben bei den Referees offensichtlich ein Stein im Brett, die Pfiffe gibt es im Zweifel für die Königlichen. Wenn es denn im Halbfinale überhaupt Außenseiter gibt, dann treffen diese im zweiten Duell mit Liverpool und Rom aufeinander. Da darf Jürgen Klopp weiter vom ersten Titel mit Liverpool träumen.

Auffallend ist, dass die Bayern eine Ausnahme unter den vier Halbfinalisten darstellen: Nur sie können sich mit einem nationalen Titel schmücken. Alle anderen sind in der nationalen Meisterschaft abgeschlagen, selbst Real sieht in Spanien Tabellenführer FC Barcelona nur aus der Ferne. Das macht die Aufgabe der Bayern noch einmal schwerer, weil sich Real allein auf die Champions League konzentrieren kann, die Bayern wollen stattdessen auch noch im nationalen Pokal bestehen (Dienstag in Leverkusen). Andererseits überstrahlt der Sieg in der CL die nationale Meisterschaft, so dass sich Barcelona, Juventus und Paris St. Germain praktisch nur einen Trostpreis abholen. Nur die Bayern haben deshalb noch die Chance auf das Triple. Real wiederum will den Hattrick mit drei CL-Siegen in Folge. Damit steht fest: Ein Traum wird im Halbfinale platzen, vielleicht nach einem irren Fußball-Abend.

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