Schatten auf der Fußball-Europameisterschaft
von knospepeter
Es ist seltsam, normalerweise herrscht bei den Fußballfans, nein, eigentlich bei allen Sportfans immer eine große Vorfreude auf Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft, die jetzt vor der Tür steht. Doch diesmal ist es vor dem Turnier in Frankreich anders. Die Ereignisse des Terrors vom 13. November, als in Paris mehrere Bomben hochgingen und es viele Tote zu beklagen gab, wirken nach. Vor der Fußball-EM herrscht doppelte Spannung: Da die sportliche Seite, dort die menschliche, ob es auch wirklich gut geht. Aber nicht nur der Terror wirkt nach, es liegen viele Schatten auf der Fußball-Europameisterschaft.
Rückblende. 1998 war Frankreich Gastgeber der Weltmeisterschaft. Die Hausherren holten sogar den Titel und sorgten für eine noch nie dagewesene Begeisterung im Land. Der WM-Titel war sogar Wegbereiter für einen kurzen wirtschaftlichen Aufschwung. Heute herrscht in Frankreich Stillstand und Unsicherheit. Die Terroristen haben ein Ziel erreicht. Die westliche Welt muss mit der Terror-Angst leben, wenn es auch mutige Stimmen gibt, die betonen, wir dürfen unser Leben nicht kaputt machen lassen. Dürfen wir nicht, nein. Doch die Angst im Inneren bleibt. Das Budget für die Sicherheit wurde verdoppelt, das Sicherheitspersonal ebenfalls. Doch reicht das? „Wir haben das Menschenmögliche getan“, sagt der Sportminister. Was bleibt, ist die Hoffnung.
Frankreich ist in diesen Tagen aber auch gelähmt, gelähmt von Streiks. Diese sollen auch zu Beginn der Europameisterschaft teilweise noch nicht beendet sein, einige Gruppen wollen sie sogar gezielt fortführen. Früher war ein Land stolz, ein Großereignis wie die Europameisterschaft ausrichten zu können, heute dient so eine Mammutveranstaltung als Mittel zum Zweck. Motto: Die Welt schaut auf uns, da können wir unsere Wünsche leichter durchdrücken. Schatten über der Europameisterschaft.
Der Fußball-Weltverband sorgt für einen weiteren Schatten, der Korruptionsskandal ist noch lange nicht vorbei. Wieder Hausdurchsuchungen, wieder neue Anschuldigungen, wieder neue Tatsachen, dass sich wohl einige der hohen Funktionäre persönlich bereichert haben. Ein Turnier als Mittel zum Zweck, um Millionen anzuschaffen, das Amt als Mittel zum Zweck, um sich am Gabentisch zu bedienen. Nur Ex-Präsident Joseph Blatter hat natürlich nichts gewusst und alles richtig gemacht. Es scheint, er lebt in seiner eigenen Welt.
Der sportliche Schatten ist noch der geringste Schatten, der über der Europameisterschaft 2016 liegt. Erstmals sind 24 Nationen am Start, es wird die längste EM aller Zeiten, aber sicherlich nicht die sportlich wertvollste, eher wird sie sportlich verwässert. Immerhin konnten wir sehen, mit wie viel Stolz und Ehrgeiz sich kleine Nationen wie Albanien, Island und Ungarn zum Beispiel auf den Weg nach Frankreich machen. Die Niederlande muss dafür zuschauen. Echte Spannung gibt es bei dem Turnier allerdings erst ab dem Achtelfinale, wenn die K.o.-Runde beginnt, für die sich die jeweils ersten beiden Teams jeder Gruppe sowie die besten vier Dritten aus den sechs Gruppen qualifizieren. Heißt also: Nach der Gruppenphase scheiden gerade mal acht Nationen aus!
Dennoch dürfen wir uns auf die Europameisterschaft freuen. Auf guten Fußball und am Ende natürlich auch auf Spannung. Schließlich gibt es keinen absoluten Favoriten, auch Weltmeister Deutschland nicht. Titelverteidiger ist Spanien, das vor vier Jahren Italien im Endspiel mit 4:0 besiegte. Beide Mannschaften haben wohl ihre besten Jahre hinter sich, können aber noch einmal zuschlagen. Zu dem Kreis der Mitfavoriten zählen aber auch Gastgeber Frankreich, die junge Mannschaft aus Belgien und England. Alle haben ein Handicap gemeinsam: Sie haben Probleme in der Abwehr. Mal sehen, wer zur rechten Zeit in Form ist, das nötige Glück hat, zum Beispiel mit den Schiedsrichter-Entscheidungen.
Die sportliche Neugier ist also trotz aller Bedenken geweckt, hoffen wir, dass am Ende nicht nur für den Sieger die Sonne scheint, sondern das Strahlen über ein gelungenes Turnier alle Schatten vertrieben hat!